Jugaad

imageEiner der Gründe, warum ich diesen Blog schreibe, ist, dass ich mich der Frage annähern möchte, wie man sich gegenüber Schock resilient machen kann. Wir wissen, dass viele große Dinge im Fluss sind, die ggf. unsere Regierungen überfordern und direkte Auswirkungen auf unser Leben haben werden. Wie muss ich mich verändern, um für Herausforderungen und gesellschaftliche Veränderungen gewappnet zu sein, die vielleicht durch Klimawandel, Finanzkrisen, Krieg um Ressourcen, Migrationswellen und Ähnlichem entstehen können? Was muss ich meinen Kindern beibringen, damit sie in der Zukunft zurechtkommen? Besitze ich überhaupt die Fähigkeiten, ihnen das Notwendige zu vermitteln, wo ich doch im Überfluss und frei von existenziellen Bedrohungen aufgewachsen bin? Werden unsere Kinder Abstriche machen müssen, was Sicherheit, Stabilität, Wohlstand oder Zukunftsperspektiven angeht?

Ein paar allgemein gültige Dinge, die helfen könnten, sich resilient oder widerstandfähig zu machen, sind  (in der Theorie) schnell zusammengetragen:

  • Geistige Unabhängigkeit. Ich möchte meine Kinder ermutigen, selbständig und um die Ecke zu denken, auch Dinge anzuzweifeln. Sie sollen genug Vertrauen in sich haben, sich selbst ein Bild von einer Situation zu machen und Entscheidungen für sich treffen können.
  • Körperliche Unabhängigkeit: Gesundheit ist ein zentraler Punkt für mich. Krankheit kann sehr einschränken, wenn man z.B. aufgrund einer chronischen Erkrankung dauerhaft  Medikamente einnehmen muss. Es ist eine gefühlte Abhängigkeit. Man kann es nicht notwendigerweise beeinflussen, ob man erkrankt, aber grundsätzlich kann man schon sehr viel tun, um seine Gesundheit zu erhalten. Das ist gar nicht so einfach in unserer Gesellschaft. Der Körper des Homo Sapiens ist darauf angelegt, den ganzen Tag in Bewegung zu sein, kilometerweit zu laufen, um Nahrung zu beschaffen. Der Mensch heute hat sich mit seinem Lebensstil in eine „nicht-artgerechte Haltung“ manövriert: Wir bewegen uns kaum noch und für jede Menge Kalorien müssen wir nur die Hand ausstrecken. Der „moderne Mensch“ isst künstlich produzierte und mit Zusatzstoffen angereicherte Lebensmittel, in Plastik verpackt, in der Mikrowelle aufgewärmt. Obendrein noch viel zu viel Zucker. Diese nicht-artgerechte Haltung resultiert in Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder „Zivilisationskrankheiten“. Dem muss man sich aber keinesfalls unterwerfen.
  • Vernetzung: Mit Menschen eine Gemeinschaft bilden. In Netzwerken kann man sich gegenseitig helfen, voneinander lernen, gemeinsam etwas schaffen (an Stellen, wo der Staat vielleicht keine öffentlichen Dienstleistungen erbringen kann)
  • Befreiung von Konsum-  und Statusdenken. Ich kann mir nicht vorstellen, dass unsere Konsum- und Wegwerfgesellschaft in der Form noch lange Bestand hat. Wenn man sich nicht über das definiert, was man hat, tut einem später eine (ggf. unfreiwillige) Konsumeinschränkung nicht weh. Stattdessen sich ein nachhaltiges Wertesystemn aufbauen und dieses seinen Kindern vermitteln.

Resilienz bedeutet aber auch, sich aus einer schwierigen Situation zu befreien, indem man zum Beispiel in der Lage ist, unter schwierigen Bedingungen Lösungen zu finden. Zum Beispiel durch Improvisation. Das ist „Jugaad“:

Eigentlich kommt Jugaad aus dem indischen Innovationsmanagement – man versucht, mit wenig mehr  zu erreichen. Es ist die Kunst, im Angesicht von widrigen Umständen trotzdem Möglichkeiten zu sehen und umzusetzen. Das macht es zu einer Kunst, mit Herausforderungen umzugehen. Dieser Lebensstil ist in Indien aus einem Mangel aus Ressourcen entstanden. Unser Lebensstil, der eher gekennzeichnet ist durch Überfluss, bietet wenig Anreize, nach solchen Prinzipien zu handeln. Warum etwas Simples reparieren, basteln, improvisieren, wenn man das Alte auch weg schmeißen kann und sich irgendwas Schickes mit einer Million unnötigen Funktionen kaufen kann? Da aber auch die westliche Industrie bemerkt hat, dass globale Probleme wie Rohstoffmangel auf uns zukommen, beobachtet man punktuell ein Umdenken: Die Produkte der Zukunft sind einfacher, billiger und effizienter. Und die „Mac Gyver“ Strategie dazu lernt die Industrie jetzt von den armen Ländern.

Aber auch in der Entwicklungszusammenarbeit hat man das Prinzip für sich entdeckt. Die heutige Entwicklungszusammenarbeit bringt oft teure Programme hervor, deren Wirkung schwer zu messen ist und deren Initialisierung eher auf Seite der Geber entsteht statt aufgrund einer Nachfrage auf der Seite der Empfänger. Jugaad ist aber eine autonome Art von Innovation und bietet dadurch den besseren Ansatz:

  • er kann von der Zielgruppe initiiert werden
  • er ist auf Bedarf, lokalen und kulturellen Kontext angepasst
  • er ist durch „trial and error“ erprobt und wird daher auch wirken
  • er ist kostengünstig.

Ein Beispiel: Ein Mechaniker aus einer Kleinstadt in Brasilien litt unter den häufigen und langanhaltenden Stromausfällen in seiner Gegend. Um Innenbeleuchtung zu gewährleisten fing er an zu experimentieren und entwickelte einen Prototypen aus einer Plastikflasche, die mit Wasser und etwas Bleichmittel gefüllt ist. Diese wird im Dach befestigt und gibt während der Sonnenstunden am Tag Licht in den Raum ab wie eine 40-60 Watt Birne das würde. (siehe Bildersuche Google „Moser Lamp“)

Daher können auch noch folgende Jugaad-Prinzipien mit auf meine Resilienzliste:

  1. In Herausforderungen immer versuchen auch Chancen zu sehen, sich nicht limitieren lassen
  2. Mit dem Arbeiten, was da ist: Bestehendes wieder verwenden oder anders kombiniert zu einem neuen Zweck verhelfen
  3. Lieber aus Fehlern lernen und sich schnell anpassen, anstatt lange im Voraus einen fixen Plan schmieden
  4. Keep it simple: lieber einfach und nah am Bedarf, als High-End
  5. Auf die eigene Intuition hören, nicht nur auf Logik und analytisches Denken.

Was mir (neben der Nachhaltigkeit) grundsätzlich so gut gefällt an dem Jugaad Gedanken ist, dass die Lösungen, die es bietet so simpel und überschaubar sind. Wir neigen zu den großen, politischen, globalen Lösungsansätzen. Monatelange Verhandlungen, unverbindliche Erklärungen, Resolutionen, Policies, Reformen, die in der nächsten Legislaturperiode wieder reformiert werden, Lösungen die alle mit einbeziehen. Und gut gemeint sind. Aber in der Ausführung passen sie dann doch nicht für jeden und bringen neben viel Gutem auch viel Schlechtes (siehe z.B. „Obama Care“  –> dies soll keine Kritik am POTUS sein)

Daher suche ich, wühle ich in mir, rufe ich nach ihm, irgendwo muss er doch einfach sein….

….der Mac Gyver in mir 🙂

 

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